Viel Spaß mit einer ganz anderen “Minna”

Südwest-Presse

Mit Phantasie, Herz und viel Intelligenz
Für Zuschauer auch in drei Stunden Spieldauer kurzweilig
Villingen-Schwenningen – “Die Theatermacher” nennt sich die junge Truppe – das klingt nach Hingabe an dieses Metier. Von solcher Hingabe zeugte im Theater am Ring Lessings Lustspiel “Minna von Barnhelm”, das von Inszenierungs- und Spielfreude nur so sprühte, das mit Phantasie, Herz und viel Intelligenz auf den Punkt gebracht wurde und zugleich spannend unterhaltsam war. Diese “Minna” war trotz historisch angehauchter Kostüme und größter Werktreue so wenig verstaubt und mit so viel Witz versehen, dass auch die jungen Zuschauer ihre Freude daran gehabt haben dürften.
Der Untertitel des Lessing-Stücks lautet “Das Soldatenglück” – in großen Leuchtlettern überstrahlte dies die Bühne, wie ein Motto, das in den Turbulenzen des Geschehens leicht vergessen werden könnte. Davor schützt auch das Anfangs- und Schlussbild eines Schlachtfeldes, auf dem der Sensenmann umher wandert, untermalt vom grausigen Kriegsgetöse. Nur vor diesem Hintergrund ist ja erst möglich, was sich auf der Bühne abspielt: Nicht nur, weil es Wachtmeister gibt, die mit dem Leben im Frieden nicht mehr klar kommen, weil Gelder und Güter verloren gingen, weil trauernde Witwen ohne die gefallenen Ehemänner und Väter nicht mehr ein noch aus wissen; sondern auch, weil auf dem “Feld der Ehre” ganz besonders üppig die Deformierungen menschlichen (männlichen) Geistes und Empfindens durch die unterschütterlichen Maßgaben des Ehrbegriffs sprießen.
Der Major von Tellheim ist ein Exemplar, der sein ganzes Wesen an diesem Begriff ausgerichtet hat. Seine persönlichen Wünsche, seine wahren Gefühle, ja, seine ganze Individualität muss hinter seiner Ehre bzw. deren Kränkung zurück treten – so sehr, dass die übrig gebliebene personifizierte Idee ebenso gut von einer Frau gespielt werden kann. Bei einem Mann, der sowieso nur unerschütterlich seiner Rolle treu bleibt, macht das nicht wirklich einen Unterschied – außer, dass genau diese Rolle vielleicht noch prägnanter deutlich wird.
Reines Rollenspiel zeigte auch der Pudel, von dessen Treue der wackere Just berichtet, und der nun – erkennbar an der Mütze gleichen Namens – leibhaftig über die Bühne hechelte. Er verwandelte sich immer wieder, in den Spieler Riccaut, den alten Oheim, oder in passendem Gewand die beklagenswerte Witwe. Trotz des fraglos komödiantischen Effekts, den solche Auftritte haben, gelang es immer, das wahre Wesen der Personen heraus zu arbeiten, den hintergründigen Sinn und Ernst nicht zu vergessen. Hier wurde wahrlich Theater gemacht, indem die emanzipierte Minna und die süße, forsche Franziska durch ihre List die ganze fragwürdige Konstruktion von überzogenem Ehrenkodex und damit auch von vorgegebenene männlichen und weiblichen Rollenverteilungen gründlich ins Wanken geraten lassen konnten. Reisegepäck, zwei Tische, eine Bettdecke genügten als Möblierung, ein kleiner Vorhang und die viel benutzte Tür im Hintergrund schufen ein Innen und Außen. Der singende und Klavier spielende Musikant fungierte auch als Beobachter und Zuhörer am Rande, Auftritte erfolgten aus dem Zuschauerraum, manche aktuelle Anspielungen flossen in den Text ein, und immer mal wieder wurde fröhlich gesächselt.
Und unzähliche mimische, gestische und choreographische Einfälle machten die über drei Stunden Spieldauer kurzweilig und das Lustspiel so wirkungsvoll, wie sein genialer Autor es vor 235 Jahren verfasst hatte. Viel Applaus und die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit den “Theatermachern.”