Verbotene Hiebe – respektvoll inszeniert
Deister- und Weserzeitung
Fesselnder Mix: Schillers „Räuber“ heute im Theater
Von Julia Marre
Hameln. Mondgelb leuchtet der Hase am Bühnenrand. Champagnerfarben ruht das familienfreundliche Sofa im beinahe leeren Raum – als Regisseur Michael Jurgons zu Beginn der Generalprobe gestern Abend auf die Bühne des Theaters Hameln tritt. „Es wird laut werden“, sagt er. Und es wird laut. Was bei weitem nicht nur daran liegt, dass Musiker Michael Reffi live im Rampenlicht trommelt, spielt, schlägt, summt und singt. Sondern auch daran, dass das Ensemble zwischen Krawall und Komasaufen einer Tragödie Heutigkeit einhaucht. Zwar haben Schillers stürmende, drängende „Räuber“ mehr als 200 Jahre auf dem Buckel; dieser Inszenierung jedoch ist das keineswegs anzumerken.
Die Lebenswelt der rüpelhaften Studenten, die zu studierten Rüpeln mutieren, ist ins 21. Jahrhundert übersetzt. Da steckt Spiegelberg (Cem Gültekin) in Batik-Shirt und Jogginghose, als er Prügel austeilt. Tragen die anderen Gauner Turnschuhe, farbige Shorts und Boxerstiefel – und erinnern dabei allesamt an eine gegenwärtige Bad-Taste-Partygesellschaft auf bewusstseinserweiternder Klassenfahrt. Ausgelassen getanzt wird zu Bob Marleys „Ion, Lion, Zion“. Ausgiebig besungen das Volkslied „Kein schöner Land“. Dass Amalia sich in jeder ausweglosen Situation eine Zigarette anzündet, ist nahezu selbstverständlich. Und auch nicht schlimm: weil es passt.
Charismatischer Räuberhauptmann
Franz Moor, die arme Wurst, gibt Gunnar Fietsch unberechenbar und wohlüberlegt als schleimigen Schleimer, der ebenso gut Intrigant aus einer Fernseh-Soap sein könnte. Patrick Abozens Karl Moor hingegen ist klug und ehrlich – ein charismatischer Räuberhauptmann mit Sinn für Gerechtigkeit und starker Bühnenpräsenz. Die im Übrigen das Gros der Schauspieler auszeichnet.
Zuweilen erinnert die Aufführung gar an Filme von Tarantino oder Kubrick. Manche Szenen irritieren, schocken. Andere bringen Humor ins Spiel. Musik und Gesang machen einen Schnitt – und ergeben eine fesselnde Mischung. Ob Gewalt hier verherrlicht wird? Wohl kaum. Auch wenn die Akteure Kunstblut spucken und Bühnentode sterben, so bleibt es doch meist bei der aussagekräftigen Andeutung – etwa wenn die brutale Schlacht ein reines Akustikgemetzel ist und von „Stomp“-ähnlichem Trommelwirbel auf Fässern symbolisiert wird. Der Spagat zwischen frischer, kraftvoller Inszenierung und respektvollem Umgang mit der dramatischen Geschichte ist gelungen – ohne Verluste.