Schiller als explosiver Bühnen-Rausch
Schwarzwälder Bote, 16.11.2009
Packende “Räuber” mit den “Theatermachern” aus Hamburg / Begeistertes Publikum in der Nagolder Stadthalle
Von Irmeli Thienes
Nagold. „Ich bin mein Himmel und meine Hölle“ sagt Karl Moor am Ende, erdrückt von der Schwere des eigenen Versagens. Liebe neben niederschmetternder Schuld, Reue ohne Erlösung als den Tod – die Innenwelten der Schillerschen „Räuber“ spiegelt die junge Hamburger Truppe „die Theatermacher“ in einem Bühnen-Rausch, explosiv, kraftvoll, fett. Das große Publikum in der vollen Stadthalle vergaß alles drum herum.
Minutenlang hielt der Applaus an, Gejohle und Getrampel folgten. Viele junge Erwachsene waren darunter, Gymnasiasten und das zeigte: Die moderne Inszenierung hatte sie gepackt.
In der Tat bringen die Schauspieler Schillers Kraft, den Kampf der Gefühle auf die Bretter, machen aus der alten Halle ihren Räuberwald. Sie stürmen die Reihen, fegen über Stühle, brüllen den Menschen ins Gesicht. Und das Ensemble bleibt – wunderbar ! – nah am Text. Die Körperlichkeit aller 13, zwölf Männer neben Amalia, ist überwältigend.
Sie entblößt sich, wo es das Stück ihrer Seele abverlangt, es stürzen Männer von der Bühne, klatschen hörbar auf. Von Tod und Gemetzel zeugt ohrenbetäubendes Tonnen-Getrommel. Rauch und Schweiß wabern von der Bühne. Und doch gewinnt des blutjungen Schillers „Räuber“ in dieser Inszenierung (Regie Michael Jurgons) gerade auch aus den leisen, poetischen Momenten an Dynamik.
So hehr der Karl (Patrick Abozen), so niederträchtig Intrigant Franz (Gunnar Frietsch) wie widerlich, schmierig opportunistisch der Moritz Spiegelberg (Martin Heise), so leidenschaftlich wie stimmlich beachtlich die Amalia (Diana Ebert) – die Bühnenpräsenz aller ist enorm. Mit Klumpfuss-Klötzen erzeugt Carolin Roider (Ausstattung) den schweren Gang des alten Vaters Maximilian von Moor, mit Jogginghosen und Chucks aktualisiert sie die Räuberkluft. Und auch Bob Marlys „Iron lion zion“ trägt bei zum Bild wie von den Krawallen in den Pariser Banlieus 2005 – Horden rebellierender Jugendlicher, zu allem entschlossen und mittendrin ein irre lachender Schweizer.
Für Witz, Schmelz und den Schreck im richtigen Moment sorgt Musiker Michael Riffi und bei allem schadet es nicht, dass Amalia sehr oft raucht, die Verständlichkeit manchmal der Preis des leidenschaftlichen Vortrags ist und der alte Moor nicht wirklich alt wirkt – denn nie leiden die Inhalte, immer ist Schiller präsent – was kann man in seinem Geburtsjahr schöneres wünschen ? Nur vielleicht noch den nächsten Auftritt der Theatermacher GmbH.