Am Ende siegt die Liebe

Schwarzwälder Bote

Theatermacher brillieren mit “Minna von Barnhelm”

Villingen-Schwenningen (tri)
Lessings “Minna von Barnhelm” – vielleicht haben manche gedacht, dies 240 Jahre alte Stück um die Ehre eines abgedankten Offiziers sei veraltet. Die “Theatermacher”, eine Truppe freiberuflicher Schauspieler, bewiesen das Gegenteil.
Wenn heute ein ehrlicher Mann sein privates Geld ausgäbe, um denen, von denen er Steuern eintreiben soll, zu helfen – erhöbe sich da nicht sofort der Verdacht, er habe das aus egoistischer Berechnung getan, sei also korrupt? Und ganz besonders blüht Korruption in wirren Kriegs- und Nachkriegszeiten. Kampfgetöse am Anfang, der Klavierspieler steht als Tod mit der Sense in der Mitte der Bühne.
Unter Korruptionsverdacht steht Major von Tellheim (dargestellt von Sigrid Schnückel). Alle Verbitterung des zu Unrecht Verdächtigten spiegelt sich in ihm, und er glaubt, deswegen die von ihm geliebte Mitta nicht heiraten zu können. Vor einem nur angedeuteten Hintergrund mit der großen Leuchtschrift “Soldatenglück” agieren moderne Menschen, der rauhbeinige Offiziersbursche und der Wachtmeister ebenso wie der auf seinen Gewinn bedachte Gastwirt. Die Zeitlosigkeit des Geschehens wird untermalt durch John Carlsons Klavier-Begleitung, das Lied vom guten Kameraden ebenso wie das vom Maikäfer, der zum abgebrannten Pommerland fliegt, und natürlich Lilli Marleen, die hinter dem Vorhang hervor mit einem netzbestrumpften Bein winkt.
Und die Frauen, die da nach dem Krieg ihren Verlobten oder einen Freund suchen, deuten zwar in ihren Kostümen das 18. Jahrhundert an – aber es ist ja das ewige Spiel um beständige und opferbereite Liebe, verbunden mit Scherz und Neckerei bei Minna (Charlotte Ullrich) und ihrer temperamentvollen Zofe Franziska (Verena Unbehaun), die sich mit viel Koketterie und Witz ihren Wachtmeister angelt. Sehr bewegt, allen verfügbaren Raum nutzend spielen sie – und ihre Verführungskünste fesseln ihre Partner ebenso wie das Publikum.
Vielseitige Komik bringt Axel Röhrle ins Spiel – als Justs Pudel, als Freund, als Lilli Marleen, als perfekt französisch parlierender Glücksritter Riccaut de la Marlinière, als Minnas Onkel. Und während das komplizierte Spiel um das von Ehrgefühl und Liebe Erlaubte im Mittelpunkt steht, hockt der lange dünne Amerikaner Carlson auf seinem Klavier in der Ecke und grinst ironisch. Schauspielkunst, die an angelsächsische Tradition anknüpft: Sie setzen voll auf die Wirkung der Personen, mischen sich ins Publikum, spielen mit sehr viel Bewegung.
Die Verwicklungen drohen ins Tragische zu kippen; aber Minnas überlegener Humor kann schließlich Tellheim besiegen, und da auch der Korruptionsverdacht ausgeräumt wird, steht einem Happy-End nichts mehr im Wege. Doch diese von Michael Jurgons erarbeitete Inszenierung endet mit der Erinnerung, dass auch die sieghafte Liebe stets bedroht ist vom Kampfgetöse des Krieges. Das begeisterte Publikum dankte mit langem Applaus.